Digitalisierung
16.04.2021
Eine Frage der Kosten und der Evidenz
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Die Weiterentwicklung digitaler Gesundheitsanwendungen
Euphorisch wurde die Liste der digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGAs, im Oktober 2020 eingeführt. Wie haben sich die DiGAs im letzten halben Jahr weiterentwickelt?
Das Fast-Track-Verfahren hat zwar wie gewünscht den Effekt, dass aus den anfänglich zwei Apps, die gelistet wurden, einige mehr geworden sind: Derzeit stehen insgesamt elf Apps zur Verfügung. Allerdings
sind gerade einmal vier dauerhaft zugelassen.
Krankenkassen beklagen Kostenentwicklung
Hier setzt die Kritik der Krankenkassen an. Es würde den Qualitätsansprüchen an Medizinprodukten nicht genügen, allein positive Versorgungseffekte als Maßgabe für eine „vorläufige Aufnahme“ anzusetzen.
Denn das Fast-Track-Verfahren erlaubt es, dass der Nutzen einer App bei Listung nicht direkt nachgewiesen werden muss. Herstellern ohne Evidenznachweis wird eine Erprobungszeit zugestanden. Wenn das Produkt wieder aus der Liste genommen werden muss, muss der Anbieter möglicherweise die Erstattung an die Krankenkassen zurückzahlen – wenn er nicht zuvor seinen Antrag zurückgezogen hat.
Zudem können die Entwickler von DiGAs im 1. Jahr ihre Preise frei gestalten, was zu enormen Preissteigerungen führte. So zitiert Peter Thelen im Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Health vom 21. Dezember 2020 in seinem Artikel „Kassen suchen Preisbremse für überteuerte DiGAs“ Gertrud Demmler, Vorstand SBK (Siemens Betriebskrankenkasse): „Dies haben die Anbieter durchaus zu ihrem Vorteil zu
nutzen gewusst. Denn die Preise liegen teils sehr deutlich über dem, was bislang Selbstzahler zahlten.“
Als Beispiel wird die App „Insomnie“ gegen Schlafstörungen aufgeführt, die im Selbstzahlermarkt für 79 Euro zu beziehen ist, aber die Krankenkassen pro Quartal 464 Euro kostet. Laut Gertrud Demmler wurde diese App beispielsweise 22-mal verordnet. Aus diesem Grund fordert der GKVSpitzenverband die freie Preisbildung im 1. Jahr abzuschaffen. Denn hochgerechnet kämen jährlich Kosten in Milliardenhöhe auf die Krankenkassen zu. Sie möchten deshalb mit den Herstellerverbänden einen Rahmenvertrag in die Wege leiten, um die Preisbildung zu regeln.
Eine Möglichkeit sieht SBK-Vorstandsfrau Demmler auch darin, die Kosten von der einer pauschalen Anwendungszeit von 90 Tagen loszukoppeln, sondern allein die tatsächliche Nutzung der App – was technisch machbar wäre – in Rechnung zu stellen.
Hersteller erbringen Evidenznachweis
Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) konterte mit einem Positionspapier und verwies in den Kernpunkten auf die Finanzierung sowie den Datenschutz und nicht zuletzt auf die Kosten für den Nutzennachweis, den die Hersteller in aufwendigen randomisiert kontrollierten Studien erbringen. So zitiert Gunnar Göpel in „Neue Evidenz durch DiGAs“ im Tagesspiegel Background Gesundheit & E-Heath vom 11. Dezember 2020 Philip Heimann, Mitgründer und Geschäftsführer von Vivira Health Lab GmbH: „Wir bringen zum Beispiel klinische Evidenz in einen Versorgungsbereich des Gesundheitssystems - Physiotherapie, Bewegungstherapie, Krankengymnastik - in dem bislang weitestgehend nicht standardisiert und nicht kontrollierbar behandelt wird und in dem bisher jede klinische Evidenz fehlt.“ Vivira ist eine App-Ergänzung zur Physiotherapie und bietet therapeutisches Training für zu Hause bei Rücken- Knie- und Hüftschmerzen an.
Digitale Gesundheitsanwendungen in Pflege und Reha
Die Entwicklung geht inzwischen in Riesenschritten weiter. Das Ärzteblatt vom 24. Februar 2021 führt Michael Weller, Leiter Stabsbereich Politik beim GKV-Spitzenverband an, der auf der 16. Brandenburger Landeskonferenz „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ erläuterte, dass bundesweit 4.600 Zugriffscodes vergeben worden wären.
Auch in der Pflege gibt es digitale Gesundheitsanwendungen, sogenannte DiPAs, die allerdings nicht von den Pflegekassen erstattet werden. Es sind Apps, die in der Pflege zum Beispiel durch Übungen und Training den Gesundheitszustand der zu Pflegenden stabilisieren und verbessern. Und auch vor der Reha machen die digitalen Gesundheitsanwendungen nicht Halt: Die Aufnahme in die Regelversorgung soll als Referentenentwurf im Bundesarbeitsministerium liegen.
Reinhild Karasek
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